Joker
Missverstanden und verstoßen: Die finstere Reise in die Gedankenwelt des legendären Batman-Schurken ist gleichermaßen berauschend wie faszinierend inszeniert.
„Das Schlimmste an einer psychischen Erkrankung ist, dass die Leute erwarten, dass du dich so verhältst, als hättest du keine."
Das Leben von Teilzeitclown Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) könnte trostloser und zerrütteter kaum sein. Wenn er sich nicht gerade um seine alternde Mutter (Frances Conroy) kümmert oder gemeinsam mit ihr Lieblings-Showhost Murray Franklin (Robert De Niro) begeistert über den ausgedienten Fernseher daheim verfolgt, schlägt sich Arthur mehr schlecht als recht über diverse Jobs im Clownskostüm durch. Zwischen der Gewalt auf den Straßen, derer Arthur immer öfter zum Opfer fällt, und der Trostlosigkeit seines eigenen Daseins lernt er eines Tages die alleinerziehende Sophie (Zazie Beetz) von nebenan kennen, ist schlagartig von ihr fasziniert. Und obwohl er sich keinerlei Chancen ausrechnet, kommt er seiner attraktiven Nachbarin langsam näher.
Als er sich dann auch noch den schnöden Tipp eines Kollegen beim Kostümverleih zu Herzen nimmt, endlich mal seinen eigenen Schatten zu überspringen, die Angst abzulegen und mit seinen vielen, selbstgeschriebenen Gags im Stand-up-Schuppen um die Ecke aufzutreten, scheint sich das Blatt für Arthur endlich zu wenden. Eine schicksalshafte Nacht in der örtlichen U-Bahn, das fehlerhafte Verhalten von Milliardär Thomas Wayne (Brett Cullen), der eher unfreiwillige Kauf einer Pistole und die öffentliche Zurschaustellung seiner persönlichen Probleme im Fernsehen bringen das psychisch labile Pulverfass dann letztlich doch noch zur unaufhaltsamen Implosion - und das Volk von Gotham City antwortet...
Meisterhaft: Gerade mit Blick auf die noch immer absolut zurecht geliebte Performance von Heath Ledger in Christopher Nolans „The Dark Knight" von 2008, stand die Produktion des Solo-Films „Joker" zu Beginn noch unter keinem wirklich guten Stern. Kaum ein Fan der gefeierten DC-Trilogie wollte speziell nach dem desaströsen Auftritt von Jared Leto in „Suicide Squad" noch einen weiteren Darsteller im Joker-Outfit über die Kinoleinwand tänzeln sehen. Spätestens mit dem ersten, sagenhaft atmosphärischen Trailer sowie dem ganz speziellen Look von Joaquin Phoenix' Joker war jedoch klar: Mit dem, was wir bisher so von dem legendären Batman-Schurken gewohnt waren, sollte DAS nicht mehr allzu viel gemein haben.
So kam es, wie es kommen musste: Todd Phillips, seines Zeichens Kreativkopf hinter so Comedy-Hits wie der „Hangover"-Trilogie, erschuf mit „Joker" ein bizarr wirkendes, intensiv emotionales Charakterporträt eines Mannes, der an der Gesellschaft einer in sich kollabierenden Stadt zerbricht, um seiner Wut letztlich freien Lauf zu lassen. Wer die typische Adaption eines Comics erwartet, dürfte maßlos enttäuscht aus dem Kino gerannt sein - das einzig Comichafte an „Joker" ist lediglich der Batman-Bezug, der dann und wann eingestreut wird.
Originaltitel Joker | Schlagwort Oscarreife Meisterleistung | Genre Drama / Crime | Produktion / Label USA 2019 / Warner Home Video | Laufzeit 122 Minuten | Regie Todd Phillips | Darsteller Joaquin Phoenix, Robert De Niro, Zazie Beetz | FSK ab 16 | erhältlich ab 12.03.2020